von Martin F. » Mi Nov 18, 2009 1:00 pm
Hallo Markus,
die Ausbildungsfrage ist in der Tat ein heikles Thema, vor allem weil viel Augenwischerei betrieben wird und noch mehr unreflektierte Meinungen verbreitet werden.
Ich muss meine Aussage von gestern noch etwas konkretisieren, vor allem vor dem Hintergrund, das Du in Österreich wohnst und ich jetzt mal davon ausgehe, dass Dein Hochseilgarten oder Kletterwald auch in Österreich steht. Hochseilgarten (per meiner eigenen Definition pädagogisch orientiert) oder Kletterwald (per meiner eigenen Definition touristisch bzw. "spaß"orientiert) ist ebenfalls eine entscheidende Frage.
Für den Besuch von Hochseilgärten oder Kletterwäldern mit Schulklassen gilt momentan in Österreich*, anders als in Deutschland, dass alle Personen (und das bedeutet nach dem Wortlaut, eben auch die begleitenden Lehrer), die mit Schülern in einen Hochseilgarten oder Kletterwald gehen wollen oder sie dort betreuen, eine Ausbildung "gemäß dem Standard der ERCA" haben müssen. Das heißt aber nicht, dass es eine ERCA Ausbildung sein muss oder die Richtlinien der ERCA bezüglich einer zertifizierten Ausbildung eingehalten werden müssen. Gemäß dem Standard der ERCA bedeutet lediglich, dass der Ausbilder oder das Ausbildungsunternehmen mindestens die Standards der ERCA beachten und einhalten muss. Mindestens deshalb, weil es Ausbildungen auf dem Markt gibt, die einen wesentlich höheren Standard haben und den aktuellen Stand der Technik berücksichtigen. Die ERCA Ausbildungsstandards sind von 2004 (es gibt zwar eine Version mit Datum 2009, der Inhalt aber ist fünf Jahre alt, zumindest kenne ich keine neueren).
Für alle anderen Zielgruppen, also Unternehmen, Privatpersonen, Vereine usw. kann Dir niemand Vorschriften machen, wie Du oder Deine Mitarbeiter ausgebildet sein sollen. Die einzige Instanz, die das könnte, wäre der Gesetzgeber und der hat Besseres zu tun.
Solltest Du einen Kletterwald betreiben, würde ich mich an Deiner Stelle Richtung SMA Ausbildung der IAPA orientieren, weil diese Ausbildung wesentlich profunder auf die Bedürfnisse in einem Kletterwald eingeht und diese berücksichtigt. Um es noch genauer zu sagen, die ERCA kann in diesem Ausbildungssektor nicht das leisten, was die IAPA leisten kann.
Denn die ERCA hat sich anfangs strikt gegenüber den Kletterwaldbetreibern verweigert, die daraufhin die IAPA gegründet haben. Aus dieser Tradition heraus besteht bei der IAPA logischerweise die wesentlich bessere Expertise für diesen Bereich. Im übrigen machst Du damit auch die Tür für die Schulklassen nicht zu, denn den Standard der ERCA erfüllt und übererfüllt die SMA Ausbildung der IAPA allemal.
Um jetzt aber den Bogen zu Deinem Versicherungsproblem zu schlagen, eine praktische Lösung, die ich in meinem Unternehmen anwende. Ich habe eine Auflistung des Leistungsangebots meiner Firma erstellt und die Qualifikationen der Mitarbeiter (danach wird ein Versicherer fragen und deshalb ist das auch wichtig bei der Wahl der Ausbildung, also ob für einen Hochseilgarten oder einen Kletterwald) und ihren Einsatzbereich beigefügt. Mit dieser Liste bin ich zu meinem Versicherer gegangen und habe gefragt, ob er dieses Risiko versichert. Der hat eine Risikoanalyse durchgeführt und das Unternehmen versichert.
Mir ist aber auch ein privarter Versicherungsmakler bekannt, der zumindest in Deutschland Trainer versichert.
Für mein Empfinden ist es gar nicht so schlecht, dass es keine vorgekauten Versicherungen von Verbänden gibt, denn so kann ich mein Risiko detailliert beschreiben und versichern lassen.
Ich kann Dir die Regelung für Österreich bezüglich Deiner Verantwortung für externe Trainer nicht sagen, nehme aber aufgrund der großen Ähnlichkeit von ABGB und BGB an, dass sich Österreich und Deutschland da nicht viel schenken. Das würde bedeuten, dass Du auch für das verantwortlich bist, was die externe Trainer in Deinem Auftrag tun. Du also auch die Versicherungspflicht für sie hast.
In meiner Police stehen deshalb auch externe Trainer mit drin. Was ich allerdings tun muss, und das ist sehr wichtig, damit der Versicherungsschutz auch greift, ich muss den Ausbildungsstand und die Aktualität der Ausbildung der Trainer dokumentieren. Das ist zwar manchmal nervig, aber es hilft letztlich schlimme Folgen zu vermeiden.
Als Fazit könnte man also ziehen, dass eine gute Ausbildung in diesem Bereich großen Sinn macht, egal für welche Du Dich letztlich entscheidest. Sie sollte mindestens die ERCA Standards erfüllen sie aber besser übererfüllen, wie z.B. die SMA Ausbildung der IAPA. Und Du musst einen Versicherer suchen, der sich die Zeit nimmt mit Dir eine individuelle Police aufzulegen, denn das ist ein besserer Schutz, als vorkonfektionierte Produkte mit hunderten Haftungsausschlüssen.
Ich hoffe das hilft weiter,
Grüße aus Deutschland,
Martin
*nach den Richtlinien 2009 für die Durchführung von bewegungserziehlichen Schulveranstaltungen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur in Österreich